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Mongolia – sain baina uu

Als es am Morgen des 10. Juli auf unsere 15-tägige Tour durch die Zentralmongolei ging, hatten wir keine Ahnung was uns erwartet. Wir haben uns für einmal nicht vorbereitet und hielten nur eine ausgedruckte Kopie von einer Landkarte in der Hand auf der mit einem rosa Filzstift die ungefähre Route eingezeichnet wurde. So bekamen wir das von Heegi zugesteckt. Heegi war der junge Manager unseres Hostels, welches auch Touren organisierte. Heegi ist eher speziell. Er trägt seine Homosexualität wie ein Kleidungsstück auf sich. Immer lächelnd, so dass man seine Augen kaum sieht, die Arme immer leicht angewinkelt und die Hände nach aussen gesteckt, als trage er die ganze Zeit ein Tablett auf den Händen. Gerne rief er uns zu sich ins Büro, in dem wir die Tour „besprachen“. Mit einem Stäbchen in der Hand zeigte er immer auf die schief hängende Mongolei-Karte an der Wand. Jedes Mal eine kleine Vorführung, vor allem wenn er eine besondere Attraktion mit piepsiger Flüsterstimme betonte. Dann sassen wir drei im Büro und lachten herzhaft. Nur scheinbar nicht über das Gleiche…


Der Tour Vertrag wurde selbstverständlich auch mit einem rosa Filzstift unterschrieben. Dann konnte es ja los gehen… Vor dem Hostel, welches im Übrigen sehr versteckt in einer dunklen Gasse lag, stand dann unser Jeep mit Fahrer und Guide. Beide sind ein Buch wert. Wir versuchen es kurz zu halten. Unser Guide Sara ist süsse 21 Jahre jung und so unbeschwert und natürlich fröhlich, dass man sich selbst in dieses Alter zurück wünscht. Für sie war es auch die erste längere Tour.



Sara hatte ein lustiges Englisch und wir brauchten einige Tage bis wir herausgefunden haben, was sie meint, wenn sie von einem „Pisstwual“ sprach. Irgendwann war klar, dass sie ein „Festival“ meinte. Anfangs haben wir dieses Wort immer wieder vor uns hergesagt und schauten uns an:“….Pisstwual…Pisstwual….was ist das?“. So hatten wir sprachlich viele amüsante Momente.


Dann gab es da noch Ulmaa, unseren Fahrer! Und das sagen wir voller Stolz. UNSER Fahrer! Wir würden sagen, er ist der beste Fahrer auf der ganzen Welt. Wir haben Gegenden durchquert… unglaublich! Höre ich jemals wieder in unseren Breitengraden jemanden von schlechten Strassen schimpfen, dann lache ich laut. Hier werden Schlaglöcher und das Wort Strasse neu definiert. Aber unser Fahrer konnte alles. Selbst wenn wir zu Hälfte im Schlamm steckten, Ulmaa kam da wieder raus. Herrlich.


Kurz möchten wir auf die mongolische Sprache eingehen. Wir lieben diese Sprache. Sie ist toll. Mongolen haben diesen Lispel Ton. Aber nicht mit der Zungenspitze, sondern seitlich, als wenn man oben eine Zahnspange trägt. Dann lispelt man links und rechts von der Zunge. Zum Beispiel Ulmaa wird nicht gesprochen wie geschrieben. Das U entspricht einem O und das L wird generell wie ein seitliches S gelispelt: Osszzmaa. Das Wort Bajarlaa (= Danke) auch, das R wird stark gerollt und das L wird wieder seitlich gelispelt. Klingt toll! Unser Lieblingswort: Outschlaarai! (= Entschuldigung).


Zurück zu Ulmaa! Er ist 25 Jahre jung, kommt aus der östlichen Mongolei und tut nichts ausser Fahren. Er würde einfach um die Welt fahren, würde man ihn lassen. Nie genervt, nie müde, nie schlechtlaunig. Einmal hielt er eine kleine Tüte in der Hand und bot mir den Inhalt an. Ich (sehr hungrig) schaute rein und dachte für genau eine Millisekunde, dass sich in dieser Tüte zerrissener Eierkuchen (für Nicht-Berliner = Pfannkuchen) mit Nutella befand. Mein Gehirn dachte an diesen Eierkuchen von Mama zu Hause uuuuund…NEIN!! Es war natürlich kein Eierkuchen. Es war zerfetztes Murmeltier (ich nun nicht mehr hungrig). Wenn Ulmaa Hunger hat, dann schiesst er sich ein Murmeltier! Kopf ab, dann wird der Körper mit Steinen gefüllt und mit einem Gasbrenner gegrillt. So läuft das. Besonders in Erinnerung bleiben uns auch die Fahrten in Ulmaas Jeep! Dieses Auto gehört unserer Meinung nach in ein Museum. Das Auto hatte schon mehrere Millionen Kilometer zurückgelegt. Ulmaa pflegte und flickte dieses Auto mit Leidenschaft. Jedenfalls mit den Mitteln die ihm zur Verfügung standen. Wenn es regnete, dann regnete es Strahl artig durch Schiebedach und Türen in das Auto rein. Zwischendurch hielten wir an um mit einem Handtuch schnell wieder alles trocken zu wischen. Am Tage fuhren wir teilweise bis zu 6 Stunden am Stück. Das war körperliche Anstrengung. Gefühlt gibt es in der ganzen Mongolei drei betonierte Strassen. Auf diesen zu fahren war die pure Erholung. Ansonsten ging es immer quer Feld ein. Während der Fahrten wurde man wie verrückt durch das Auto geschleudert. Es gab kaum Griffe im Auto und wenn löste sich dieser manchmal und man sass mit nem Griff in der Hand da. Wenigstens der Autohimmel war gepolstert. Die Strassen hatten so tiefe Schlaglöcher, dass wenn man sich nicht genug irgendwo fest klammerte man mit dem Kopf gegen alles knallte was es im Auto so gab. Auch der Kofferraum war offen und so flogen unsere Rucksäcke uns gerne mal in den Nacken. Manchmal lachten wir uns halb tot dabei aber es gab Tage, da wurde man aggressiv davon. Wir mussten oft Pausen machen um uns zwischendurch zu erholen.



Gurte gab es keine im Auto. Diese hatten eine andere Verwendung gefunden. Da die Türangel bereits kaputt war, wurde die Autotür stattdessen mit dem Gurt am Auto befestigt. So leierte die Tür umher und auch hier musste viel Kraft angewandt werden um sie überhaupt zum Schliessen zu bekommen. Während der Fahrt öffnete unser Fahrer ab und zu mal die Tür, streckte sich mit dem Oberkörper seitlich nach unten und schaute ob der Reifen noch dran war. Er kannte sein Auto sehr gut. Was er an dem Auto schraubte und drehte…unglaublich. Wir warteten auf den Moment, dass wir alle still im Auto sitzen und plötzlich alle Türen abfallen und das Dach einfach wegfliegt. Aber dieser Moment trat nicht ein. Wir hatten wohl Glück. Es gab keinen Untergrund, welches das Auto nicht bewältigen konnte. Durch Flüsse ging es, durch hohe Gräser, welche immer ein paar tiefe Schlaglöcher versteckten, durch Schlamm und Schotter, einfach durch alles. Selbst auf dem Mond würde Ulmaa mit seinem Jeep zurecht kommen.



Auf dem Land gibt es kaum Auswahl an Essen. Es gibt wenig Gemüse und Obst. Also wird hier sehr sehr viel Fleisch gegessen. Die Nomaden besitzen viele Tiere und wir behaupten sagen zu können, dass es den Tieren hier verdammt gut geht. Die Tiere kennen keinen Käfig, kein Gehege. Sie sind den ganzen Tag draussen, auf diesen unendlich weiten grünen Wiesen. Kein Gras ist hier behandelt oder künstlich angelegt. Hier ist das Tier noch Tier. Auch Hunde sind hier noch Hunde. Ein Hund dient zur Wache, der draussen lebt. Eine Leine gibt es nicht. Als wir erzählten, dass Hunde bei uns 3 mal am Tag ausgeführt werden und manch einer auch das Bett mit dem Besitzer teilen darf, lachten die Mongolen laut auf und nahmen das nicht allzu ernst. Die haben gedacht, wir machen Witze. Nachts gibt es dann immer die Konferenz der Tiere, so nennen wir es. Die Geräuschkulisse ist Wahnsinn. Alle Hunde treffen sich und ziehen durch die Nacht. Auch die Pferde rufen sich und zwischendrin Schafe, Ziegen, Yaks und Kühe. Die dienen dann morgens auch als Wecker. Dann grast so ein Schaf am Kopfende deines Zeltes und „määäht“ in dein Ohr.


Während der gesamten Tour haben wir fast ausschließlich gezeltet. Sehr einfach das Ganze, ohne Isomatte sondern nur einem Schlafsack. Jede Nacht auf einem anderen Boden oder einer Baumwurzel im Rücken. Im Laufe der Zeit stellten wir unser Zelt in Rekordzeiten auf. Wir blieben ja nie an einem Ort. Sehr geübt bauten wir das Zelt binnen weniger Minuten auf und ab. Hygienisch sind wir bei dieser Tour natürlich auch auf ein anderes Level gegangen. Dusche und Klo gibt’s in der Steppe eben nicht. Zähne putzen mit Flusswasser – das war drin. Auch sonstige Sanitäranlagen sucht man hier vergebens. Wir können nur sagen: man gewöhnt sich an ALLES! Geduscht wurde genau zweimal während der 15 Tage und einmal davon mit 2 C° kaltem Wasser – zum Haare waschen ganz hervorragend.


Wer Angst vor Gewittern hat, bekommt hier auch die Möglichkeit sich dieser zu stellen. Wir zelteten auf riesigen flachen Wiesen, wo im Radius von 300 km einfach nichts war. Es blitze und donnerte heftig und wir lagen mit zum Gebet gefalteten Händen, in unserem wild flatternden Zelt. Jedes Mal zählten wir die Sekunden zwischen Blitz und Donner. Bei einem Abstand von einer Sekunde wurden wir dann doch nervös bis panisch! Eine andere Nacht waren wir davon überzeugt dem Erfrierungstod zum Opfer zu fallen. Es wurde in der Nacht so furchtbar kalt. Wir trugen alles, was unser Gepäck zu bieten hatte aber die Kälte frass sich regelrecht durch alle Schichten unserer Jacken und Hosen. Am Ende zogen wir aus unserem kleinen Erste Hilfe Paket die Wärmedecke heraus. Das was so aussieht wie goldenes oder silbernes Geschenkpapier, je nachdem welche Seite man wählt. Wir wickelten uns in diese laut knisternde Decke ein.


Neben dem Zelten war auch das mongolische Essen eine echte Herausforderung für uns. Zwar wurden wir ungefragt während der gesamten Tour mit Zentnern von Weissbrot versorgt aber ab und an wurden wir auch zum Essen in eine Jurte eingeladen. Und nun ein wichtiger Rat für alle Mongolei Reisenden: Habt immer eine kleine Tüte in der Jackentasche! Dort wanderte gerne mal der ein oder andere Happen hinein. Wir trauten uns nicht das Essen komplett abzulehnen und bissen auch mal ab. Oft mit dem Ergebnis dass sich ein Hohlraum in unserem Mund bildete und man seine Zunge nach hinten zog um ja nicht den „Keks“ oder was immer es auch war zu schmecken. Hierzulande isst man besonders gern diese „Kekse“, die aus frisch gemelkter Kuhmilch hergestellt werden. Bevor sie jedoch zum Verzehr angeboten werden, wird die Milch für 2 Tage in die pralle Sonne gestellt. Erst dann ist das ganze richtig lecker… Die Mongolen lieben es! Wir nicht so sehr. Als wir nach einer Definition des Geschmacks suchten, dachten wir dabei an Erbrochenes…. Generell ist die Mongolei nicht für seine leckere Küche bekannt. Hier wird hauptsächlich Fleisch verzehrt. Doch besonders gern isst man hier das pure Fett. Jedes Mal eine Challenge wenn man einen Teller vor sich hatte auf dem die kleinen Kartoffeln und die Fettstücken die gleiche Grösse und Farbe hatten. Wie gesagt, so eine kleine Plastetüte in der Jackentasche erwies sich oft als sehr nützlich.


Auffällig niedlich sind die mongolischen Kinder. Am Abend kommen sie mit roten Wangen und einer dreckigen Nase nach Hause. Hier wird nicht desinfiziert oder nach jedem Krümel Dreck das Feuchttuch gezuckt. Das Immunsystem der Kinder hier würde wohl gar die Pest einfach wegstecken. Das Leben der Nomaden ist teilweise sehr hart, vor allem im Winter wenn die Temperatuten im Norden bis auf -40C° fallen. Aber man erlebt Kinder hier so unbeschwert und frei. Die Mongolei ist knapp fünfmal so gross wie Deutschland, zählt ca. 3.2 Millionen Einwohner, von denen 40% in Ulan Bator leben. Man kann sich vorstellen wie oft man in der Steppe auf Menschen trifft. Jedes Mal wenn wir auf Kinder in der Steppe getroffen sind, waren diese sehr neugierig und belagerten auch gern mal unsere Jurte und inspizierten unsere Rücksäcke und deren Inhalt. Eine besondere Tradition ist das Haareschneiden der Kinder. Bis zum 3. Lebensjahr bei Jungen und bis zum 5. Lebensjahr bei Mädchen werden die Haare nicht geschnitten. Demnach haben Kleinkinder alle lange Haare und auch die Jungen tragen dann geflochtene Zöpfe und Spangen im Haar.



Zum 3. bzw. 5. Geburtstag gibt es dann ein besonderes Fest. Das Kind sitzt dann auf einem Stuhl und im Uhrzeigersinn werden die Haare abgeschnitten. Alle fünfjährigen Mädchen haben demnach dann eine fesche Kurzhaarfrisur.


In Erdenet hatten wir die Ehre bei Freunden von Sara zu übernachten. Diese Familie lebt sehr modern in einem Haus. Das heisst statt in einer Jurte aus Schafwolle und Plane, lebt die Familie hier in einem sehr einfachen, pappähnlichen Haus. Es gibt Strom und der TV sowie der Computer spiegelt die Modernität dieser Familie wieder. Fliessendes Wasser gab es keines und auch keine Toilette. Dafür gab es ein Loch im Garten, welches mit vier Holzwänden geschützt wurde. Die Familie besteht aus Mutter und Vater, die fünfjährige Tochter sowie zwei Söhnen im Alter von 17 und 19. Alle schlafen jede Nacht in einem Raum. Es gibt genau ein Bett. Da wir die Gäste waren, durften wir im Bett schlafen, nachdem wir lange protestiert hatten und auch auf dem Boden schlafen wollten. Aber dort machten sich alle anderen breit. So lagen wir zu acht in einem kleinen Zimmer von knapp 20qm. Und mittendrin „Sisi“ die kleine Katze, die in der Nacht wie verrückt auf allen rumsprang und auch Daniel plötzlich fast auf den Kopf hüpfte. Wir fühlten uns sehr wohl bei dieser Familie und sind Sara so dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten diese kennenzulernen. Trotz der Sprachbarriere verbrachten wir einen lustigen Abend mit einem mongolischen Gesellschaftsspiel, ähnlich einem „Mensch ärgere Dich nicht“, jedoch mit Gelenkknochen von Schafen. Diese waren Figuren und Würfel gleichzeitig und es bedarf ein scharfes Auge um zu erkennen, um wie viel man sein Gelenk weiter setzen durfte.



Eine andere Nacht verbrachten wir in einer Jurte und durften dort am Leben der Nomadenfamilie teilhaben. Neben dem Zubereiten von Essen, haben wir uns auch im Yak melken versucht. Wir hätten wohl bis in die Nacht gesessen und am Euter des Yaks rumgezupft um den Eimer voll zu bekommen. Die Tochter der Familie brauchte dafür wesentlich kürzer, nur knappe 15 Minuten. Am nächsten Tag sind wir im strömenden Regen zu Pferd unterwegs gewesen. Nass bis auf die Schlüpfer trabten wir durch die Prärie. Am Abend schliefen wir friedlich, um den in der Mitte stehenden Ofen verteilt, in der Jurte ein. Das Knistern des brennenden Holzes ist ein unglaublich entspannendes Geräusch.


Die Erfahrungen in der Mongolei und die Schönheit dieses Landes bleiben tief in unserem Herzen. Sie ist für uns das Schönste und Heiligste, was uns auf unserer bisherigen Reise widerfahren ist. Es gab Momente an denen wir teilweise sehr erschöpft waren aber wir sind froh um jeden Tag den wir dort erleben durften. Es ist interessant und spannend zugleich, welch Gewohnheiten auf solch einer Reise an Wichtigkeit verlieren und wie wenig eigentlich essentiell ist.


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