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Nur noch 22 Stunden

Unsere erste chinesische Zugfahrt über Nacht führte uns von Lijiang nach Chengdu, mit Umsteigen in Kunming. Der erste Abschnitt dauert ungefähr neun Stunden und wir wählten die Hard Sleeper Variante (offenes Abteil). Das sind immer drei übereinander liegende Pritschen mit einer Breite von ca. 50cm. Natürlich waren wir eine Attraktion für all die Chinesen in diesem Abteil. Wir wurden mit einmal sehr freundlich empfangen. Ein junger Mann tauschte gar mit Jessi die Pritsche, damit wir zusammen liegen konnten. Der Zufallsgenerator hatte uns recht weit voneinander platziert. So konnten wir beide auf den obersten der drei Pritschen nebeneinander schlafen. Die Fahrt an sich war recht unspektakulär. Jessi erzählte mir am Morgen stolz, dass sie durchgemacht hat. Krass!


In Kunming stiegen wir dann in aller Herrgottsfrühe um in den Zug nach Chengdu, die Hauptstadt der Provinz Sichuan. Man sagt Chengdu sei einer der entspanntesten Städte Chinas und böse Zungen bezeichnen deren Einwohner als ein wenig faul. Für mich also der genau richtige Ort! Da die Fahrt von Kunming nach Chengdu ca. 22 Stunden in Anspruch nimmt, entschieden wir uns für Luxus und buchten uns hier jeweils einen Soft Sleeper, vier Betten in einem geschlossenen Abteil, wie wir es ja bereits aus der Transsib kannten. Nur leider kann man die Transsib nicht im Geringsten mit der Chinesischen Bahn vergleichen. Lag auf unseren Zugreisen durch Russland noch die Magie der Transsibirischen Eisenbahn über dem Ganzen ist eine Zugfahrt in China eher schnöde. Alles ist irgendwie enger und schmutzig. Auch die Mitreisenden sind lange nicht so angenehm wie wir es noch in Russland oder der Mongolei erfahren durften.

Wir teilen unser Abteil mit einer, sagen wir, etwas schmuddeligen Chinesin und ihrem Sohn, welchen ich im Folgenden gerne nur als Teufel bezeichnen möchte. Hier eine kleine Zusammenfassung unserer Fahrt:


  • Teufel schreit die ganze Zeit

  • Teufel pullert in Mülleimer

  • Teufel trägt, wie üblich in China, eine offene Hose; Po und Schniedel immer im Blickfeld

  • Teufel pupst so laut wie ein 100 Kilo schwerer Mann und lacht dann

  • aus der Entfernung immer wiederkehrendes Hochziehen der Rotze

  • Passagiere aus Klasse 3 versuchen sich einen Schlafplatz in Klasse 2 zu ermogeln

  • Teufel wird nur getragen

  • Teufel mag uns scheinbar

  • Jessi schreckt im Schlaf hoch und ruft nach ihrer Freundin Anni – Teufel äfft sie nach „An-ni… An-ni…“ und findet es lustig

  • laute Musik auf den Ohren um Geräuschkulisse zu entgehen

  • Teufel fällt immer auf versifften Boden – Angst, dass er den vollgepullerten Mülleimer umstösst

  • Teufel sucht beim Stehen im rollenden Zug nach Halt und hält sich an mir fest – ich mag das irgendwie nicht

  • wir desinfizieren uns ständig

  • weil Teufel sich nicht beruhigt, bekommt er vom Zugpersonal einen kleinen pinkfarbenen Hund mit leuchtenden Augen geschenkt, der bei jedem Bellen einen Salto macht

  • wir wollen, dass es endlich zu Ende ist



Schlussendlich kommen wir total übermüdet in Chengdu an und freuen uns schon jetzt auf unsere 44-stündige Zugfahrt nach Lhasa. Diesmal natürlich wieder in der 3. Klasse. Im Übrigen stimmt es was man über Chengdu sagt. Alles wirkt hier ein wenig entspannter. Wir konnten uns hier also viel Zeit nehmen um uns mental auf Tibet vorzubereiten und alles irgendwie relaxed angehen. Chengdu – wir mögen dich!

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