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Volunteering im Kloster - „Be quiiiiiiiet…..“



Als Daniel und ich im buddhistischen Kloster ankamen, waren wir von der Architektur und den Farben überwältigt. Es ist ein sehr neues, durch Spendengelder errichtetes Kloster. Chan stellte uns einem Lehrer vor, welcher ein kaum verständliches Englisch sprach und froh darüber schien, dass es zwei Freiwillige gab, die Englisch unterrichten wollen. Wir verabschiedeten Chan und liefen in unser Klassenzimmer. Auf dem Weg passierten wir die riesige Klosterküche, wo grosse und kleine Mönche in 1000 Liter grossen Töpfen bereits das Daal Bhat vorbereiteten. Man starrte uns an und einige kicherten als sie uns sahen.


Wir betraten die Klasse und fanden ca. 50 kleine Mönche vor. Der Lehrer sagte kurz etwas auf nepalesisch zu den jungen Herren und verschwand auch wieder. Freundlich lächelten wir die Mönche an und stellten uns vor.

Da wir noch nie so eine Art von Freiwilligenarbeit geleistet hatten und wir auch keinerlei Einführung oder Tipps bekamen, standen wir wie zwei Clowns vor der Klasse, nur dass es keinen Beifall gab. Die ersten Minuten waren wir zwar noch interessant doch so langsam schienen wir die Mönche zu langweilen. Also kam uns die Idee, dass sich die Mönche doch auch mit ihrem Namen vorstellen sollen. So liefen wir durch die Gänge und mussten die Ohren spitzen und uns runter bücken zu ihnen um sie irgendwie zu verstehen. Schüchtern flüsterte jeder seinen Namen in unser Ohr. Wir hatten sehr Mühe etwas zu verstehen. Doch irgendwie hatte jeder den Anhang „Lama“. Alle hiessen für uns somit „Lama“. „Lama, komm an die Tafel!“ – das funktionierte hier nicht.

Nach der Vorstellungsrunde erklärten wir Ihnen ein simples Spiel auf Englisch. Alle nickten sicher wenn wir mehrmals fragten, ob sie es verstanden haben. Als wir das Spiel beginnen wollten, starrten uns 100 kleine Augen an und taten nichts.

Sie hatten zwar zugehört aber verstanden haben sie es nicht. Wir stellten fest, dass die Englischkenntnisse sehr unterschiedlich ausgeprägt waren. Von keinen bis ein bisschen bis hin zu sehr guten. In dem Kloster sind die Klassen nach ihren tibetischen Kenntnissen eingeteilt und nicht etwa nach ihren Englisch Skills. Zudem ist es recht neu, dass ihnen auch Englisch unterrichtet wird.

Da standen wir nun und so langsam verloren wir jegliche Kontrolle über diese 50 kleinen Mönche. Auch wenn wir hier in einem Kloster sind, haben wir hier nur Jungs im Alter von 8-12 Jahren vor uns sitzen die alterstypisches Verhalten an den Tag legen. Sie schrien so laut, dass wir unser eigenes Wort nicht mehr verstanden. Nach ein paar Tagen waren wir übrigens sehr heiser und konnten kaum noch laut sprechen. Neben dem rumschreien, liefen sie auch noch wild umher. Es ging über Tische, unter Tisch und einer öffnete das Fenster und fiel fast raus.

Doch unser grösstes Problem war die Sache hier mit der Autorität. Leider mussten wir traurig feststellen, dass hier noch sehr altertümliche Methoden in Bezug auf Erziehung herrschten. Hier wird noch geschlagen was das Zeug hält. In jeder Klasse gab es immer etwas ältere Mönche, welche mit einem Stock durch die Reihen liefen. Wenn die Jüngeren nicht hören wollten, bekamen sie eine gewischt mit dem Stock. Also kam zu dem eh schon herrschenden Chaos noch die Verteilung der Stockhiebe.

Ich wurde im ersten Moment sehr wütend und sammelte die Stöcke ein. Ich riss ihnen diese regelrecht aus der Hand und wir machten ihnen unmissverständlich klar, dass solange wir im Raum sind hier keiner gehauen wird.

Aus Neugier nahmen wir einmal am Unterricht teil als der Lehrer, der uns empfang, eine Mathestunde gab. Hatte jemand ein falsches Ergebnis, gab es Schläge. Auf Hände oder aber auf die Ohren. Manche weinten fürchterlich. Wir waren endlos geschockt. Doch unsere Empörung wurde mit einem verwunderten Blick aller abgefangen. Man verstand unser Problem nicht. Hier im Kloster war es leider die absolute Normalität, dass man mit Schläge Kontrolle und Autorität ausübte. Da hatten wir mit unseren mitteleuropäischen Methoden keine Chance.


Es folgten Tage an denen wir uns zum Kloster quälten. Es war fast unmöglich 50 kleine Mönche zur Ruhe zu bekommen. Zum einen war da das Sprachproblem und zum anderen war es für uns ausgeschlossen auch nur einmal den Stock zu zücken.

Einmal flippte ich aus und verlor die Geduld und schrie auf Deutsch die Herren an. Das war der einzige Moment, in dem sie uns mit grossen Augen anstarrten und völlig ruhig waren. Mein Herz pochte so wütend war ich.

Man kann sich das nicht vorstellen aber so eine Klasse zwei Stunden zu unterrichten, war eine echte Hürde. Jeden Tag latschten wir immer langsamer Richtung Kloster. Unser Kopf schmerzte und der Hals tat weh.


Wir hatten Glück, dass Tanya, welche ja auch bei uns wohnte, eine Lehrerin, Pädagogin und Psychologin war. Dazu noch aus Russland mit entsprechender Strenge. Nächtelang sassen wir mit ihr und bereiteten etwas für den nächsten Tag vor.

Wir fanden uns einfach mit der Situation ab, dass wir es nicht schaffen werden alle 50 Mönche in den Unterricht einzubeziehen. Es lief darauf hinaus, dass wir ca. 10 Schüler hatten, welche uns zuhörten und sehr aktiv am Unterricht teilnahmen. Wenn wir müde waren oder uns die Ideen ausgingen, liessen wir alle etwas schreiben. Was immer wir an die Tafel schrieben oder malten, wurde eifrig abkopiert. Selbst deutsche oder französische Wörter hätten sie abgeschrieben.

Sobald sie fertig waren, liefen sie immer aufgeregt nach vorne „Teacher, Teacher…finish“ und wir mussten kontrollieren ob sie alles richtig abgeschrieben haben. Wenn alles korrekt war, setzten wir einen Smiley drunter und man sah in den kleinen Gesichtern wie sie sich verlegen darüber freuten. So standen wir oft in einer Traube von kleinen Kindern die ihre Heftchen hoch hielten und im Chor „Teacher, Teacher, finish“ riefen.


Am Nachmittag waren wir immer im Kindergarten welcher Chan gehörte. Es ist eine einfache Einrichtung und vor allem für sozial schwächere Eltern gedacht, die sich einen normalen Kindergartenplatz nicht leisten können. Vieles der Spielsachen ist alt und kaputt. Die Kinder dort haben es gut doch kann man die Unterschiede spüren. Es gab einen kleinen Jungen, ca. 3 Jahre alt, der erst immer gewaschen wurde als er gebracht wurde. Er hat so schlimm gestunken, so dass er erst mal in die Schüssel kam. Auch neue Kleider wurden ihm angezogen. Oft sah er wie ein kleines Mädchen aus. Als er uns das erste Mal sah, hat er fürchterlich geweint, da er so Angst vor uns hatte. Ausländer kannte er doch nicht. Es brauchte eine Weile, bis er sich an uns gewöhnte. Vor dem Haus haben Daniel und ich eine Wand bemalt um alles etwas kindefreundlicher zu gestalten und zu zeigen, dass es hier eine Kindertagesstätte gibt. Wir machten den Gehweg sauber und räumten den ganzen Müll weg. Leider vergebens, da schon einen Tag später alles wieder dreckig war. Eines der grössten Probleme hier in Nepal: der Müll. Es gibt hier keine Müllentsorgung, wie wir es zu Hause kennen. Alles landet auf der Strasse. Überall ist es oft sehr dreckig. Leider fehlt den meisten Menschen in Nepal das Bewusstsein dafür die Strassen sauber zu halten.


Nach den 2 Wochen unserer Freiwilligenarbeit waren wir irgendwie enttäuscht und entmutigt in Bezug auf dessen was wir geleistet haben. Ist so ein Kurzzeit Volunteering wirklich eine gute Sache?

Nach vielen Diskussionen mit Chan stellten wir fest, dass Volunteering mittlerweile ein reines Business geworden ist. Ein gutes Beispiel: Um in den USA studieren zu dürfen, müssen die Chinesen z.B. soziale Arbeit nachweisen. Dafür kommen sie nach Nepal, bezahlen ordentlich Geld an die Volunteering Organisationen, sitzen ein paar Tage rum, machen nichts und am Ende bekommen sie ihr gekauftes Zertifikat. Sicherlich trifft das nicht auf jede Organisation und auf jeden Volunteer zu und wir können hier auch nur unsere Erfahrungen teilen.


Chans Organisation Riddhi Nepal (www.riddhinepal.org) steht noch völlig am Anfang.

Wir hatten den Eindruck dass Chan so unglaublich viele und gute Ideen hat, er jedoch diese nicht allein bewältigen kann. In Nepal braucht es Zeit und viiiiel Geduld um voran zu kommen. Wir persönlich würden immer die kleinen lokalen Organisationen wählen, da man hier in der Tat Teil eines Projekts sein kann. Man ist dankbar für Ideen und Kreativität. Es braucht etwas Zeit um sich an die nepalesischen Gegebenheiten zu gewöhnen und Anfangs wird die eigene Welt Kopf stehen. Doch am Ende ist man um so viele Erfahrungen reicher und wir können sicherlich von Freunden in Nepal sprechen.


Nepal hat noch einen langen Weg vor sich und es müssen noch viele Dinge in den Köpfen der Leute dort passieren.


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